Podiumsgespräch zur OB-Wahl – Zukunft von Menschenrechten, Nachhaltigkeit, Ernährungsgerechtigkeit und rassismuskritischer Eine-Welt-Arbeit

am Mittwoch 21. September, von 19 bis 21 Uhr, im Welt-Ethos Institut, Tübingen

Am 21. September um 19 Uhr im Weltethos-Institut lädt ein breites Bündnis der Tübinger Eine-Welt-Gruppen zu einem Podiumsgespräch mit den OB-Kandidat*innen über die Zukunft von Menschenrechten, Nachhaltigkeit, Ernährungsgerechtigkeit und rassismuskritischer Eine-Welt-Arbeit in Tübingen ein.

Den Fragen der Zivilgesellschaft stellen sich die SPD-Kandidatin Sophie Geisel, die Grünen-Kandidatin Dr. Ulrike Baumgärtner, der Kandidat von Die Partei Markus Vogt sowie die unabhängigen Kandidaten Hicham Hidam und Boris Palmer.
Moderiert wird die Veranstaltung von Nina Alff, Moderationstrainerin aus Stuttgart

Es werden drei Fragenblöcke diskutiert (s. Erläuterungen dazu unten):
1. Wie kann die öffentliche Beschaffung in Tübingen global gerechter und nachhaltiger gestaltet werden?
2. Wie kann das Ernährungssystem, insbesondere das Essen an städtischen Schulen und Kindergärten, ökologischer, regionaler und schmackhafter organisiert werden?
3. Wie kann ein WeltHaus des Engagements und des guten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft entstehen, das als gemeinsames Haus für Büroräume und Veranstaltungen verschiedener Umwelt-, Eine-Welt- und (post-)migrantischer Vereine genutzt werden kann?

Das Podium wird organisiert von dem Aktionszentrum Arme Welt e.V. / Weltladen Tübingen, Colibri e.V. Tübingen, Ernährungsrat Region Tübingen-Rottenburg e.V., FAIRstrickt – Netzwerk für faire Textilien, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit, dem interkulturellen Verein Telar e.V. und adis e.V.
Die Gruppen des Veranstalter*innenbündnis eint ihr Engagement für eine zukunftsfähige, global gerechte und nachhaltige Entwicklung und ein gutes Zusammenleben aller Menschen in Tübingen.


Information zu den Veranstaltern:

Das Aktionszentrum Arme Welt e.V. betreibt in der Langen Gasse einen der ältesten Weltläden Deutschlands und setzt sich seit den 1970er Jahren in Kooperation mit Erzeuger*innen in Ländern des globalen Südens für Fairen Handel und für Bildung über globale Zusammenhänge ein.
www.weltladen-tuebingen.de

Der Tübinger Verein Colibri – Beiträge für eine menschenwürdigere Welt macht seit 2003 Bildungsarbeit für globale Gerechtigkeit und ist Träger der Eine Welt Promotorenstelle im Raum Tübingen/Stuttgart.
www.deab.de/themen-programme/promotorinnen-programm/

Der 2021 frisch gegründete Ernährungsrat Region Tübingen – Rottenburg e.V. setzt sich für ein nachhaltiges, regionales und ökologisches Ernährungssystem ein und versucht dabei, Akteure zwischen Stadt und Land an einem Tisch zu bekommen. Ziel ist es, Ernährungspolitik auf kommunaler Ebene demokratisch mitzugestalten. Für das aktuelle laufende Projekt „Aktionstage Hülsenfrüchte-Vielfalt“ hat der Ernährungsrat 14 Multiplikator*innen ausgebildet, die Workshops zu nachhaltiger Ernährung an Schulen anbieten und erhält dafür eine Förderung, u.a. durch den Stadtwerke-Umweltpreis.
https://ernaehrungsrat-tuebingen.de/

FAIRstrickt – das Netzwerk für faire Textilien, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit organisierte 2018/19 die erste FAIRstrickt Aktionswoche für faire und nachhaltige Textilien. FAIRstrickt macht Bildungsarbeit und setzt sich u.a. für gesetzliche Regelungen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten und für eine faire und nachhaltige Beschaffung in den drei großen Tübinger Institutionen (Stadtverwaltung, Universität und Uni-Klikum) ein.
https://fairstrickt.org/

TELAR e.V. – wir verbinden Welten ist ein überwiegend von migrantischen Akteur*innen der Eine Welt Bildungsarbeit 2018 gegründeter Verein. Er baut Brücken zwischen Deutschland und den Herkunftsländern hier lebender Migrant*innen, unterstützt Entwicklungsprojekte im globalen Süden, macht entwicklungspolitische Bildungsarbeit und setzt sich für das Empowerment und die Teilhabe von Migrant*innen ein. Er ist Träger der Interkulturellen Promotorinnen-Stelle im Regierungsbezirk Tübingen.
https://telar-ev.de/

adis e.V. ist Träger der professionellen Antidiskriminierungsarbeit in der Region Reutlingen/ Tübingen und Fachstelle zum Thema Diskriminierung in Baden-Württemberg.
https://adis-ev.de/


…und zu den drei Themenblöcken:
1. Global gerechte und nachhaltige öffentliche Beschaffung:
„Öffentliche Auftraggeber in Deutschland beschaffen nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit jährlich Produkte und Dienstleistungen in einem Umfang von rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit beträgt das Beschaffungsvolumen in Deutschland gut 400 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte der Ausgaben entfällt auf Bund und Länder, die andere Hälfte auf die Kommunen. Regelmäßige Beschaffungsgüter in Verwaltungen sind Papier und Bürobedarf, Bürogeräte, Möbel oder Strom. Auch Dienstleistungen wie IT-Services, Reinigungsdienste, Wartung von Heizungsanlagen oder die Bewirtschaftung von Kantinen stellen typische Beschaffungsvorgänge dar. Andere Aufträge wiederum sind speziellerer Natur: der Bau von Gebäuden, die Instandhaltung von Straßen, die Ausstattung eines Fuhrparks oder die Bereitstellung des öffentlichen Nahverkehrs.“ www.nachhaltigkeitsstrategie.de/kommunen/angebote/nachhaltige-beschaffung
Viele Produkte stammen aus globalen Lieferketten und damit oft aus Produktionsverhältnissen mit schlechten Arbeitsbedingungen, nicht existenzsichernden Löhnen oder Umweltzerstörung. Die großen Fabrikunglücke in der Textilindustrie in Pakistan 2012 (Fabrikbrand Ali Enterprise) und Bangladesh 2013 (Fabrikeinsturz Rana Plaza) mit über Tausend vermeidbaren Todesopfern haben uns drastisch vor Augen geführt, wie katastrophal die Situation für die Arbeiter*innen ist.
Auch die Stadt Tübingen ist eine große Beschafferin. Sie kann durch die Einhaltung von Kriterien nachhaltiger Beschaffung einiges erreichen: direkt, indem die Rechte der Arbeitnehmer*innen und die Umwelt an den Produktionsstandorten in den globalen Lieferketten besser geschützt werden. Indirekt, indem sie Vorbildfunktion für andere hat. Die letzten Beschlüsse des Tübinger Gemeinderats hierzu waren 2006 (keine ausbeuterische Kinderarbeit) und 2011 (Beachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation). Aber die Einhaltung der Kernarbeitsnormen gewährt zum Beispiel noch keine existenzsichernden Löhne, denn die einzuhaltenden Mindestlöhne liegen oft unter dem Existenzminimum.
Wir fragen: Wie kann es weiter gehen, damit von Tübingen positive Wirkungen und Signale für eine gerechtere Welt ausgehen? Was sind mögliche strukturelle Maßnahmen in der Verwaltung, um die Produktpalette und das Einkaufsvolumen nachhaltiger und gerechter zu gestalten? Kann das Thema „Chef*innen-Sache“ werden?

2. Öko-regio-faires Ernährungssystem
Ernährung und Landwirtschaft sind Schlüsselthemen für eine global gerechte, ökologisch zukunftsfähige und Gesundheit fördernde Entwicklung. Derzeit trägt das Landwirtschafts- und Ernährungssystem zu einem Drittel der globalen Treibhausemissionen bei. Auch in Tübingen konsumieren wir eine Vielzahl an Lebensmitteln, die klima- und umweltschädlich in industrieller Landwirtschaft hergestellt und tausende Kilometer transportiert werden, obwohl vieles vor unserer Haustür wachsen könnte. Die Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln zeichnet sich durch prekäre Arbeitsverhältnisse aus – nicht nur im Globalen Süden, auch in der EU, wie eine aktuelle Stellungnahme des Kleinbauernverbands ‚La Via Campesina‘ und europäischer Bäuer*innen zur Milchproduktion in der EU zeigt:
https://mcusercontent.com/91ae04a80d4a90ffd66b56980/files/812635e9-d70f-b2af-2ad4-a245404d2033/Offener_Brief_ECVC_EMB_DE.pdf)
Städte und Kommunen können hier einiges tun, um das Essen in öffentlichen Einrichtungen nachhaltiger und fairer zu gestalten: zum Beispiel durch eine regionale Erzeugung des Schulessens in kommunalen Eigenbetrieben (z.B. Göttinger Modell),  die Förderung regionaler Wertschöpfungsketten bis zu Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Viele Städte in Deutschland (z.B. Freiburg) sind aktiv in ihren Ernährungsräten beteiligt oder Mitglied im Bündnis der Biostädte www.biostaedte.de
Wir fragen: Wie kann das Schulessen in Tübingen ökologischer und regionaler organisiert werden? Wie können Schüler*innen künftig mehr in die Gestaltung ihres Schulessens einbezogen werden? Wie kann eine Tübinger Ernährungsstrategie vorangetrieben werden, die Klima-, Natur- und Artenschutz, faire Beschaffung, regionale Wertschöpfung und kulturelle Vielfalt der Ernährungsweisen verbindet? Warum tritt Tübingen nicht dem Bündnis der Biostädte bei?

3. Ein „WeltHaus des Engagements und guten Zusammenlebens“ für und in Tübingen
Seit Anfang des Jahres arbeiten Akteur*innen aus verschiedenen Spektren der Zivilgesellschaft an der Idee eines „WeltHaus des Engagements“ (Arbeitstitel). Es soll ein gemeinsamer Ort für (post-)migrantische Gruppen und Initiativen der Eine Welt und Nachhaltigkeitsszene sein, um sich besser zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen, mehr Sichtbarkeit für Zukunftsthemen und die Vielfalt der hier lebenden Menschen zu schaffen, als Freiraum für neue Initiativen und faire Unternehmen und öffentliche Veranstaltung für die Stadtbevölkerung anzubieten. Bestandteile können z.B. ein faires Kaufhaus, ein Weltcafé, Veranstaltungs- und Büroräume sein.
In anderen Städten gibt es solche Einrichtungen bereits, wie das Haus der Kulturen in Reutlingen, das UmWelthaus in Aalen oder das Welthaus in Stuttgart. Dem internationalen Wissenschaftsstandort und der Fairtrade-Stadt Tübingen mit hohem Anspruch an Nachhaltigkeit stünde ein solches Zentrum zukunftsorientierter Themen und des guten Zusammenlebens gut zu Gesicht!
Wir fragen: Wie kann die Stadt das Projekt unterstützten? Was kann die Stadt sonst tun um zivilgesellschaftliches Engagement für Eine Welt, Nachhaltigkeit und Diversität zu fördern? Kann das „WeltHaus des Engagements“ zur Chef*innen-Sache im Rathaus werden?